Er kannte meinen richtigen Namen gar nicht, der Paul, der Papa
meiner besten Schulfreundin Eva. Für ihn war ich die Sally (aus
den Cartoonserie der Peanuts die Schwester von Charly Brown)
und das hat uns beiden 48 Jahre lang genügt.
Damals als Kind fand ich nicht so sehr die „Aussicht über Wien“
aus dem Fenster der großen Altbauwohnung mit den hohen
Räumen in der Berggasse im 9.Wiener Gemeindebezirk
bemerkenswert, auf die der Vater meiner Freundin so stolz war,
und auf die er jeden Besucher gerne aufmerksam machte,
sondern eher die Dame über dem Klavier auf dem – aus meiner
Sicht halbfertigen – Gemälde an der Wand. Heute zieren – neben
Kunstwerken seiner Tochter - fast ausschließlich Wienansichten
die Wände meiner Wohnung und kann ich ihn und seinen
„Weitblick“ nun besser verstehen.
Als „sehr gesellig“ und „immer elegante Erscheinung“ habe ich
Paul in Erinnerung. Ob in besagter Wohnung mit Aussicht, am
Sonntag im Restaurant Leupold am Schottentor nach der
gemeinsam besuchten Messe in der Schottenkirche oder bei der
Plauderei beim zufälligen Treffen in der Straßenbahn, wenn er aus
dem Fitnessstudio kam. Er hat mich nicht nur einmal charmant
überredet mit ihm einen Abstecher auf einen Plausch in ein
nahegelegenes Lokal zu machen. Und ich habe dabei jedes mal
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aus seinem überaus reichen Erfahrungsschatz all seiner Reisen
neue – meist kulinarische - Eindrücke mitgenommen, über
Frankreich, über Weine, und das in einer Tiefe, die nur aufgrund
seiner unzähligen Reisen möglich war. Das wird mir fehlen.
Was der Herr Diplom-Ingenieur auch noch besonders gut konnte,
war als Autofahrer „Lichthupenkonzerte“ für uneinsichtige Raser
vor ihm zu geben, die trotz seines ‚Beinahe auf sie Auffahrens‘,
noch immer nicht wahrhaben wollten, daß nur er noch rascher als
sie selbst – an welches Ziel auch immer - gelangen mußte und
daß sie daher im Weg waren. Er tat das vorzugsweise auf der
Autobahn, vorzugsweise auf der äußersten linken Überholspur und
das selbstredend jenseits aller Geschwindigkeitsbeschränkungen.
Von der Auffahrt auf die Autobahn bis zur gewünschten Ausfahrt,
vom zitternden Beifahrer, der sein letztes Stündchen schon
gekommen sah und in Gedanken ein Stoßgebet nach dem
anderen zum Himmel schickte, sehnlichst herbeigewünscht! Paul
hat also das Gebetsleben vieler/aller seiner Beifahrer beflügelt.
Auch das war der Paul – „überzeugter Christ mit persönlicher
Beziehung zu Seinem Gott und Erlöser Jesus Christus“. Er lebte es
so unaufgeregt und so selbstverständlich aus, daß es für mich
ziemlich überraschend war, als er sich genau vor 30 Jahren am
selben Tag vom selben Pastor und am selben Ort wassertaufen
ließ wie ich. „Wenn er sich einmal zu etwas entschieden hatte,
dann tat er es - komme was wolle“. Der kleine Teich damals war
von einem Sonnenblumenfeld umgeben und die Blumen strahlten
mit seinem Gesicht um die Wette, als Paul nach der Taufe aus
dem Wasser kam! Jetzt strahlt er umso mehr, der Paul, da er uns
in den Himmel vorausgegangen ist und unseren Gott jetzt schon
und bis in alle Ewigkeit anbeten darf.